Gedichte
Herausgeber: Verlag der 9 Reiche; 1. Edition (2023 und 2021) Sprache: Deutsch Taschenbuch: 32 Seiten ISBN-10: 3948999023 ISBN-13: 978-3948999025 Preis: 9 EUR + 1,55 EUR Versandkosten |
Jerusalem I Meist grußlos fegen die Mauersegler den Betenden die Kippot von den Köpfen. Verschwinden in fingerbreiten Sekundenhotels, aus Jerusalemstein ohne Applikationen, mit Insektensnackbar. Die Orthodoxen unter den Vögeln, meinen die einen. Schließlich haben sie unter allen Gemäuern die Western Wall ausgewählt. Schreiende Blitze, behaupten die anderen, Frevler. Die ernähren sich von den Gesuchen der Gläubigen. Nein, nein, meinen die einen. Die kleiden nur ihre Nester aus, mit den Nöten der Leute, die ganz ohne göttlichen Beistand nicht auskommen. Die teilen die Hoffnung unter drei hungrigen Mündern auf. Die Zettelchen der Touristen sind bei den Mauerseglern unbeliebt: Ihre Träume, meinen die einen, setzen sich aus den falschen Zutaten zusammen. Sind im falschen Alphabet verfasst, behaupten die anderen. |
Haifa Beiwohnen a) dem Singsang der slawischen Sprachen b) den Explosionen des Hebräischen, dem Röcheln und Zucken, dem Wüten und Würgen, dem Schmeicheln und dem Streicheln c) dem Gurren des Arabischen d) dem Quaken des Amerikanischen. Schreib in deinem Lieblingsalphabet in Schönmädchenschrift deinen Namen in den Sand und überlass ihn den Wellen. Erheb keinen Anspruch auf deinen Schatten. Einmal kehrt auch er dir den Rücken. So lass ihn ziehen. Teile, was sich vermehren soll. Verschenke, was zum Begehren taugt. Stelle dich gut mit dem Wiedehopf. Beziehe die Katzen in dein Gebet ein. Fröne den Schakalen. Verherrliche die Salamander. Wir wollen in hängenden Gärten zu Hause sein, nicht eingekerkert in Einwegkörpern, heruntergewirtschaftet in dreißig Jahren. Amen. Amen. |
Tel Aviv I Zu kurz für ganze Sätze. Zu salzig das Meer auf seinen Lippen, da empfiehlt sich kein Kuss. Rauschendes Altneuland, im Tonfall der Wellen, von der Lautstärke eines um seine Königin gebrachten Bienenschwarms. Mehr Mut zu unreinen Reimen, Gedanken, die lose im Wind flattern, mit leicht ausgefransten Gänseblümchenköpfen, und von der subventionierten Sorte: das Glück. Nicht steril. Lässt sich nicht abfüllen, nicht konservieren. Sprechen wir lieber nicht von der Halbwertszeit der Liebe. Schwer zu proportieren: die Zuneigung unserer Mitmenschen. Ein Hoch auf die Brüllaffen vom Carmel-Markt, das Karamell der Datteln, das Granatapfelrot der Blutorangen. Vom Hilton runter nach Jaffa: Ein Hoch auf die Kerle, die großzügig auf Textilien verzichten und ihre Muskeln ausstellen, Öl auf Leinwand. Ein Hoch auf diese leicht verwüsteten Schönheiten in den frühen Morgenstunden mit Kaugummiatem und verklebten Wimpern, Meerjungfrauen ohne Fischanteil. |
Lwiw III Der Markt, wo wir standen, ich wollte es dir nicht sagen, wurde auf einem Friedhof errichtet. Süß schmeckten die Aprikosen, überhaupt nicht nach Asche. Ich durfte probieren. |
Odessa I Stauberrichtet und schlammfixiert, Akazienhimmel, dein Meer von Aiwasowski kopiert, oder umgekehrt, ich hatte den Maler für einen Hochstapler gehalten, zähneknirschend bin ich durch Galerien gelaufen, und habe andere Künstler besser gefunden, zu weniger gefälligen Göttern gebetet. Heute, Sand zwischen den Zehen, habe ich beschlossen, nicht dorthin zurückzukehren, wo Urkunden meine Existenz skizzieren. Ich werde mich neu belesen, werde das muntere Plappern der Mädchen, das Geschrei der Kinder, das, vom Rauschen der Wellen gedämpft, an meine Ohren weht, als Gespräch akzeptieren. Ich werde mich von Zuckermais und Garnelen ernähren, und Landschaft werden, braun und verwegen. |
Tscherniwzi II Gelb leuchten die Granaten, und wippen, in schilfgrüne Kokons gehüllt, auf den Feldern. Die Vögel kennen eine dritte Silbe: Ku-ku-ruz. Die Großmütter haben endlich Empfang. Niemand, auch auf den Datschen nicht, muss mehr verpassen, wenn sich hier oder anderswo wer die Köpfe einschlägt. Sonst ist alles beim Alten: Der Sommer fegt die Straßen. Die Jungs hocken in stickigen Hinterhöfen, oder trinken auf okkupierten Spielplätzen, grüne Hälse ragen aus ihren Plastiktüten, Scherben blühen im Gras, schönere Anemonen. Wer es sich leisten kann, führt sein Mädchen zu McDonalds aus, oder zum Subway. Ob auf Straßen oder Feldern, auf dem Bischofsberg, im Kiesbett des Pruth, überall riecht es nach Sperma, süße Fäulnis, die Verlangen weckt, und Kopfweh bereitet. |
Rechte liegen beim Autor. |